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Durch Fluchttüren schnell raus

Nach Tragödie in Behindertenwerkstatt: Lebenshilfe sieht bei Brandschutz keine Defizite

Nach der Tragödie mit 14 Toten in einer Behindertenwerkstatt in Süddeutschland ist die Betroffenheit auch in der Lebenshilfe Seelze groß. Ein Unglück sei nie auszuschließen, aber um den Brandschutz mache sich der Vorstand keine Sorgen.
Eine Kerze mit einem Foto der Brandkatastrophe gleich am Haupteingang zeugt von der Anteilnahme. Aber dass im Schwarzwald ein mobiler Gasofen explodiert sei, ist für Werkstattleiter Jens Künzler unerklärlich. Zwar benutze die Seelzer Werkstatt auch Gasflaschen, aber nur für die Produktion, um etwa Stahl vorzuwärmen. „Das sind normale Betriebsgefahren.“ Andere Gefahrenstoffe wie Lacke und Lösungsmittel seien nach strengen Vorschriften gelagert. „Wir haben sogar eine eigene Fachkraft für Arbeitssicherheit“, sagt Vorstandsmitglied Christian Siemers. Zudem gebe es eine jährliche Evakuierungsübung sowie eine Begehung mit externen Experten. Seit Bezug des Standortes vor 28 Jahren habe es noch keinen Brand gegeben. Die 750 Werkstätten mit 260?000 Beschäftigen in Deutschland seien keine „Todesfallen“, wie dies in Medien bezeichnet wurde, sagt Vorstandsmitglied Gaby Bauch. „Die meisten Mitarbeiter haben es ja alleine geschafft.“ Mit 470 behinderten Mitarbeitern und 100 Betreuern ist die Lebenshilfe einer der größten Arbeitgeber in Seelze. Man könne viel machen, aber nicht alles ausschließen, meint Siemers. Bei einer Explosion mit schneller Rauchentwicklung helfe eine Sprinkleranlage nicht. Die Feuerwehr allerdings empfiehlt sie grundsätzlich (siehe Interview). In den seit dem Einzug bestehenden Werkstätten gibt es im Gegensatz zu den Wohnstätten keine Rauchmelder. Im Neubau mit zweiter Küche sowie einem Speise- und Montagebereich, der demnächst bezogen werden kann, sind solche aber in den automatischen Brandschutztüren eingebaut. Man verfolge deshalb mehr das Konzept, Menschen schnell in Sicherheit zu bringen, sagt Werkstattleiter Künzler. „Wir trainieren regelmäßig Verhaltensregeln und erinnern an die Symbole im Haus.“ So habe man auf den Fluchtwegen in den Treppenhäusern eine neue Kennzeichnung eingeführt – und zwar nicht über den Türen, weil der Rauch nach oben steigt, sondern auf dem Boden wie etwa in Flugzeugen: Die Treppenstufen sind mit fluoreszierenden Pfeilen an den Geländern markiert, die die Richtung ins Freie anzeigen. Auf den Treppenabsätzen sind zusätzlich runde Punkte als eine Art Querriegel angebracht, um Stürze zu vermeiden. „Die Markierungen leuchten noch Stunden nach, wenn das Licht bei einem Brand ausfällt“, erläutert Künzler. Darüber hinaus seien alle Gruppenräume und Werkstätten ebenerdig und verfügten über eine Fluchttür. So könnten die Mitarbeiter schnell und direkt nach draußen und müssten nicht erst durchs Treppenhaus. „Aber wir müssen sensibel bleiben“, sagt Bauch.
Das Interview
Auf Stand der Technick
Über den Brandschutz bei der Lebenshilfe sprach Redakteur Oliver Kühn mit Ortsbrandmeister Alfred Blume (59). Wie beurteilen Sie den Brandschutz in der Lebenshilfe? Der vorbeugende Brandschutz ist auf dem aktuellen Stand der Technik. Zudem gibt es einmal im Jahr eine gemeinsame Übung mit Mitarbeitern und Rettungsdiensten. Denn behinderte Menschen reagieren anders, und Rollstuhlfahrer hat man auch nicht jeden Tag. In Seelze gibt es keine Rauchmelder. Ist das ein Sicherheitsproblem? Die Anlage ist nach Baurecht genehmigt, aber wir würden diese in jedem Fall empfehlen. Gibt es Gefahrenpunkte wie den Gasofen in Titisee-Neustadt? Nein, hier gibt es nur eine Zentralheizung. Wie sinnvoll wäre eine viel diskutierte Sprinkleranlage? Grundsätzlich sinnvoll, weil sie automatisch funktioniert. In Seelze ist diese aber nicht gefordert worden.

Weitere Informationen

  • Quelle: Leine-Zeitung, 29.11.2012
  • Von: Oliver Kühn
Gelesen 2758 mal Letzte Änderung am Dienstag, 19. Februar 2013 11:30